LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON \"Rückenschmerzen\" am 9.9.2010

Ich leide seit Monaten an starken Rückenschmerzen - sogar nachts - und ich bin morgens ganz steif. Langsam mache ich mir Sorgen. Das ist doch für einen jungen Menschen Ende 20 nicht normal? Was kann dahinterstecken?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Prof. Sieper: Bei den geschilderten Beschwerden muss man grundsätzlich auch an Morbus Bechterew denken. Da Rückenschmerzen viele Ursachen haben können, ist es schwierig den Beginn dieser rheumatischen Erkrankung frühzeitig zu erkennen. Erste wichtige und aktuelle Informationen zur Früherkennung enthält die Website www.ruecken-experte.de, die in Zusammenarbeit mit führenden deutschen Rheumatologen entwickelt wurde. Dort findet man einen Experten-Test, den Bechterew-Check, der mit wenigen einfachen Fragen eine Orientierung ermöglicht, ob ein erster Verdacht auf eine entzündliche Wirbelsäulenerkrankung gerechtfertigt ist. Eine Ärztesuche erleichtert es zudem, zur näheren Abklärung einen Facharzt in der Nähe des Wohnorts zu finden.

Mein Mann ist an Bechterew erkrankt. Ich habe Angst, dass unser Sohn diese Krankheit auch bekommt. Kann das sein?

  • Prof. Braun: Die genauen Ursachen des Morbus Bechterew sind bislang noch weitgehend unbekannt. Die Veranlagung, diese Krankheit einmal zu bekommen, ist sicher vererbbar, aber eben nur die Veranlagung. Man weiß nämlich, dass bei etwa 90 Prozent der Patienten mit Morbus Bechterew ein typisches genetisches Merkmal, ein bestimmtes Eiweiß, das sogenannte HLA-B27-Antigen, auf der Oberfläche von Körperzellen zu finden ist. Dieses Merkmal bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man an Morbus Bechterew erkrankt ist oder erkranken wird. Die große Mehrheit der Menschen, die es aufweisen - in Deutschland etwa acht Prozent - bekommt die Erkrankung nicht. Nur etwa jeder 15. HLA-B27-positive Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens einen Morbus Bechterew. Umgekehrt bedeutet das Fehlen des Merkmals jedoch nicht, dass die Krankheit ausgeschlossen ist, da andere Gene, Umweltfaktoren und Erkrankungen wie Schuppenflechte auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen.

Meine jüngere Schwester hat vor einiger Zeit die Diagnose Morbus Bechterew vom Rheumatologen erhalten. Was läuft bei dieser Erkrankung ab?

  • Prof. Braun: Die chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung geht mit starken Rückenschmerzen einher. Im weiteren Verlauf kann sie zu Versteifungen im Bereich der Wirbelsäule führen. Es können aber auch andere Gelenke, Sehnen oder Bänder sowie Organe außerhalb des Bewegungsapparats betroffen sein, z. B. die Augen. Die Erkrankung kann ganz unterschiedlich verlaufen. Viele Patienten haben Phasen, in denen sich Schmerzen und Symptome immer wieder akut verstärken, andere leiden anhaltend unter Schmerzen. Die Krankheit kann auch für einige Jahre ganz zur Ruhe kommen. Gerade wegen dieser uneinheitlichen Verläufe ist es wichtig, sich vom Rheumatologen untersuchen zu lassen und die Therapie immer wieder auf die Aktivität und den Schweregrad der Erkrankung abzustimmen. Es gibt heute sehr gute Behandlungsmöglichkeiten.

Bei meinem Bruder besteht Verdacht auf Morbus Bechterew. Bei welchem Arzt sollte er die Diagnose abklären und sich behandeln lassen?

  • Prof. Kellner: Die Behandlung des Morbus Bechterew gehört so früh wie möglich in die Hände von speziell geschulten Ärzten, den Rheumatologen. Diese Fachärzte sind auf die Diagnostik und Therapie von chronischen und entzündungsbedingten Krankheiten des Bewegungsapparates spezialisiert und können ihre Patienten mit einer individuellen Behandlung optimal einstellen.

Ich leide seit Jahren an Morbus Bechterew. Mein Arzt möchte mich jetzt auf einen TNF-Blocker umstellen. Wie wirken diese Medikamente?

  • Prof. Kellner: TNF-Blocker wirken über das Immunsystem, indem sie den Botenstoff TNF hemmen, der Entzündungsvorgänge im Körper antreibt. Bei Morbus Bechterew produziert der Körper diesen Stoff im Überschuss. Die Hemmung von TNF sorgt dafür, dass es zu einer schnellen Schmerzlinderung kommt. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit werden schon nach wenigen Wochen maßgeblich gebessert. Zudem können die modernen Medikamente auch auf mögliche Begleiterkrankungen wirken. Erste Therapieeffekte lassen sich oft bereits innerhalb von zwei Wochen erzielen. Da die vielfach bei Morbus Bechterew eingesetzten entzündungshemmenden nichtsteroidalen Wirkstoffe (NSAR) bei einem Teil der Patienten nicht ausreichend wirken oder aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden müssen, ergibt sich durch den modernen, neueren Behandlungsansatz der TNF-Hemmung eine Erweiterung der Behandlungsperspektiven.

Wie kann ich durch Bewegung meinen Morbus Bechterew positiv beeinflussen?

  • Ludwig Hammel: Regelmäßige Bewegung ist gerade bei Morbus Bechterew unbedingt notwendig, um ein Einsteifen der Gelenke zu verhindern. Durch gezieltes Training wird der Bewegungsapparat besser durchblutet. Allerdings sollte das Übungsprogramm vorher mit dem Arzt abgestimmt werden. Patienten-Selbsthilfegruppen, wie die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB), organisieren eigene Sportangebote und geben Tipps zu Training und Bewegung. Die DVMB bietet darüber hinaus individuelle Fachberatung in medizinischen und sozialrechtlichen Fragen. Weitere Informationen können im Portal der DVMB unter www.bechterew.de abgerufen werden.

Wegen meines Morbus Bechterew bin ich seit zwei Jahren bei meinem Hausarzt in Behandlung. Obwohl ich regelmäßig Medikamente schlucke, fühle ich mich immer schlechter und muss mich häufig krank melden. Was soll ich tun?

  • Prof. Kellner: Lassen Sie sich durch einen Rheumatologen fachärztlich abklären. Nach einer entsprechenden Untersuchung kann dieser dann entscheiden, ob die Behandlung optimiert werden kann und ob beispielsweise ein moderner Therapieansatz mit TNF-Blockern in Betracht kommt.

Ich habe gehört, dass bei Morbus Bechterew außer Rückenschmerzen auch noch andere Beschwerden auftreten können. Welche sind das?

  • Prof. Braun: Bei Morbus Bechterew können nicht nur Entzündungen an der Wirbelsäule, sondern auch an anderen Gelenken wie Knie, Schulter oder Hüfte auftreten. Auch die Sehnenansätze und zum Teil sogar Organe, wie die Augen oder die Haut (Schuppenflechte), können betroffen sein. Nicht selten werden im Verlauf eines Morbus Bechterew auch chronische Darmentzündungen beobachtet (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Typische Symptome sind dann Bauchschmerzen, Durchfälle, zum Teil mit Blutbeimengung und Gewichtsverlust. In späteren Stadien der Erkrankung können auch andere Organe wie das Herz betroffen sein (Aortenklappenfehler).

Mir ist klar, dass ich mich als Morbus-Bechterew-Patientin regelmäßig bewegen muss. Gibt es Sportarten, die besonders gut geeignet sind?

  • Ludwig Hammel: Aktive Bewegungsübungen sind in jedem Erkrankungsstadium die wichtigste Maßnahme. Im Frühstadium dienen sie dazu, der Fehlhaltung des Bewegungsapparates, der Versteifung der Wirbelsäule oder anderen möglichen Spätfolgen vorzubeugen. Wenn die Krankheit weiter fortgeschritten ist, richtet sich die physiotherapeutische Behandlung nach den jeweiligen Symptomen. Entsprechend Ihrer Beschwerden führt der Physiotherapeut eine individuell gestaltete Behandlung durch. Gut geeignete Sportarten sind Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, Volleyball in adaptierter Form und Bogenschießen. Nach dem Motto "Bechterew'ler brauchen Bewegung" ist die Beteiligung an Gruppengymnastik besonders empfehlenswert. Vielerorts wird regelmäßig Gruppengymnastik unter fachlicher Anleitung durch die DVMB angeboten. Dabei können Sie auch überprüfen lassen, ob Sie die Übungen richtig machen. Unter www.ruecken-experte.de finden Sie weitere Übungen.

Ich habe gehört, dass im Zusammenhang mit Morbus Bechterew auch eine Entzündung im Auge auftreten kann, die sogar zur Erblindung führen kann. Ist da was dran?

  • Prof. Sieper: Etwa 40 Prozent der Bechterew-Patienten entwickeln eine Regenbogenhautentzündung (Iritis oder Uveitis), die meist häufiger als einmal auftritt. Typischerweise ist bei einer akuten Iritis nur ein Auge betroffen, selten beide. Wenn das Sichtfeld leicht verschwommen ist, kann dies ein erster Hinweis auf eine Augenentzündung sein. Die Hauptsymptome sind allerdings Schmerzen, Lichtempfindlichkeit und gerötete, blutunterlaufene Augen. In diesem Fall sollte umgehend ein Augenarzt aufgesucht werden. Die Information über die Diagnose Morbus Bechterew ist für den Augenarzt wichtig. Eine Erblindung ist aber selten.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen